Von Sarah Hannuschka

Wir sind alltäglich einer Vielzahl von filmischen Arbeiten ausgesetzt; Kinobesuche, Lehrfilme in Schulen, videobasierte Social Media Formate und Streamingdienste gehören zum Alltag einfach dazu. Auch Projekte wie dieses bieten weitere Berührungspunkte – die Möglichkeit für Jugendliche ein speziell zusammengestelltes Kurzfilmprogramm im Nachgang der internationalen Kurzfilmtage Oberhausen in der Schule zu schauen. Nichtsdestotrotz möchte ich betonen und Werbung dafür machen, wie sehr es sich lohnt – gerade für Jugendliche – persönlich und aktiv an diesem Festival teilzunehmen!
Zum einen haben wir natürlich die Vielfalt der Filme, die auf Festivals gezeigt werden, von denen man in den vorgestellten Programmen einen tollen Eindruck bekommen kann; allerdings geht es auf den Festivals weit darüber hinaus. Anders als im Mainstreamkino oder bei Streamingdiensten präsentieren Festivals Werke aus aller Welt, oft in Originalfassungen und mit gesellschaftlich relevanten Themen, die bei mir teilweise echte Überraschungstreffer waren und mich unerwartet begeistert und interessiert haben. Jugendliche können in der Auseinandersetzung mit diesen vielfältigen Perspektiven lernen, „ein individuelles, fundiertes Urteilsvermögen“ (Reichel-Heldt, S.44) im Bereich ästhetischer Bildung zu entwickeln und natürlich helfen solche Erfahrungen auch, Schwellenängste gegenüber kulturellen Angeboten abzubauen.
Außerdem sind Festivals lebendige Orte der Begegnung, des Austauschs und der direkten Auseinandersetzung mit dem Medium Film. Dieter Kosslick, langjähriger Leiter der Berlinale, bringt dies treffend auf den Punkt: „Wenn wir als Festival – zum Beispiel mit dem Kinderfilmfestival – darauf hinwirken können, dass die Reflexion angekurbelt wird, dass wir das Medium selbst reflektieren, dann ist das gut und könnte unser Beitrag zu einer audiovisuellen Pädagogik sein, die an jede Schule gehört“ (Reichel-Heldt, S.44f). Durch die Menge an Filmen, die angeschaut werden können, entwickelt sich mit der Zeit eine neue Sensibilität für das Medium Film an sich und man beginnt die Ziele und Strategien hinter der Unterhaltungsfunktion zu verstehen. Ich finde die Entwicklung dieser Fähigkeit besonders im digitalen Zeitalter, wo viel Unterhaltung für Jugendliche in Form von Kurzvideos veröffentlicht wird (z.B. TikTok und Instagram) besonders wichtig.
Zudem bieten Festivals eine einzigartige Atmosphäre, die sich vom regulären Kinobesuch oder gemeinsamen Schauen im Klassenraum unterscheidet. Wie Skadi Loist schreibt, ist ein Filmfestival „ein Ausnahmezustand, ein Treffpunkt, ein Begegnungsort, ein Marktplatz, ein Museum und Entdeckungsort“ (Loist, S.14). Filme werden in kuratierten Programmen gezeigt, begleitet von Einführungen, Gesprächen und Workshops. Diese besondere Form der Vorführung – oft mit anschließenden Diskussionen – macht das Erlebnis intensiver und lehrreicher. Man kann gezielt Fragen stellen und es wird vor allem klar, dass man Inhalte aus Filmen nicht einfach hinnehmen muss, sonders dass verschiedene Meinungen und Interpretationen gut und wichtig für einen produktiven Austausch sind. Auch das Sprechen mit Freunden und Freundinnen nach dem Filmschauen war für mich eine sehr bereichernde Erfahrung: Anfangs hatte ich oft das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben, wenn ich etwas nicht verstanden hatte – in den Gesprächen ist aber klar geworden, dass meine Gefühle beim Schauen schon das Ziel und völlig ausreichend waren. Mein ziel- und leistungsorientiertes Denken hat dabei ganz neue Facetten kennengelernt.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein Filmfestival ist ein lebendiger Lernort, der Jugendlichen nicht nur filmische Vielfalt und Perspektivwechsel näherbringt, sondern ihnen auch zeigt, wie bereichernd kulturelle Teilhabe sein kann – und warum es sich lohnt, über das bloße Filmschauen hinauszugehen.
Skadi Loist (2018). „Filmfestivals, theoretisch und methodisch – Zum Stand der Filmfestivalforschung“ In Maske und Kothurn. Hrsg. Von Franziska Bruckner, Jana Koch und Alexandra Vent, S.11-26.
Kai Reichel-Heldt (2007). Filmfestivals in Deutschland. Zwischen kulturpolitischen Idealen und wirtschaftspolitischen Realitäten. S.44-54.